Montag, 14. November 2011

Immer wieder etwas Neues

Neben ausgefalleneren Flugmodellen wie Enten kann ich natürlich auch ganz normale Zweckmodelle bauen und fliegen. Und selbst dabei noch die Erfahrung machen, welche unerwarteten Überraschungen doch unser faszinierendes Hobby immer wieder bereithält, gleichgültig, wie lange man es betreibt. So passierte es mir in den letzten Wochen mit dem Stiddle Mick. Der ein oder andere ältere Fliegerkollege mag es bereits vermuten, ja, bei diesem Modell handelt es sich um eine Resteverwertung meines Middle Stick.
Für die jüngeren Kollegen unter uns: Der Middle Stick war ein Baukastenmodell des RC-Kunstflugweltmeisters von 1967, Phil Kraft, das 1970 von der Firma Graupner auf den Markt gebracht wurde. Der Middle Stick dürfte damit der Urvater aller immer wieder nachfolgenden „Sticks“ sein. Es ist gleichzeitig das erste ferngesteuerte Modell, an dessen Bau und Flug ich mich durch meinen Vater im zarten Alter von 5 Jahren noch entsinnen kann. Im Jahre 2004 erinnerte ich mich dieser Wurzel und besorgte mir einen Originalbauplan, mit dem ich den Middle Stick zu neuem Leben erweckte. Wegen Problemen mit der Motorisierung rüstete ich das Modell 2009 letztlich auf einen Elektroantrieb um. Die gesamte Bespannung mit Seide entfernte ich von Rumpf und Höhenleitwerk und ersetzte sie durch Bügelfolie. Das Rumpfvorderteil verjüngte ich passend zum kleineren Elektroantrieb.

Von nun an begleitete mich der Middle Stick bei fast jedem Besuch auf dem Flugplatz. Seine gutmütigen Flugeigenschaften -selbst bei stehendem Motor und langsam voll durchgezogenem Höhenruder schmierte das Modell nicht ab, sondern glitt einfach weiter- sowie die Eignung für einfachen Kunstflug sorgten für angenehmen Flugspaß. Was er allerdings nicht mochte, war der Messerflug, der Hebelarm zum Leitwerk war schlichtweg zu kurz, um diese Fluglage stabil zu halten.
Wahrscheinlich würde mich der Middle Stick noch heute begleiten, wenn er im Alter von 6 Jahren bei einer Unachtsamkeit von mir während eines Lehrer-/Schüler-Betriebes nicht dem Boden auf unglückliche Weise zu nahe gekommen wäre. Leider mussten der Flügel, das charakteristische Höhenruder und die Rumpfspitze daran glauben. Eine vollständige Verschrottung schien mir zu übertrieben und so brachte ein Blick in meinen Restefundus einen Trapezflügel zum Vorschein.

Damit dieser jedoch auf den Rumpf passte, musste die Rumpfnase allerdings deutlich verlängert werden. Außerdem tauschte ich den Dymond AL 3548 mit 710 Watt Leistung gegen einen stärkeren AL 5055 mit 1.300 Watt Leistung aus. In der Rumpfspitze finden nun zwei in Reihe geschaltete 3.300 mAH 3s- Lipos ihren Platz: Aus dem Middle Stick war der Stiddle Mick entstanden, ein farblich wahrlich gewöhnungsbedürftiges Konglomerat, das mich aber treu begleitet.
Mit dem stärkeren Antrieb reißt es den Flieger beim Gasgeben förmlich in die Luft, der verlängerte Hebelarm nach hinten lässt nun auch Messerflug zu, der allerdings mit einer Portion Tiefenruder und gegen gehaltenem Querruder stabilisiert werden muss. Alles in allem ein alltagstauglicher Flieger mit weiterhin gutmütigen Flugeigenschaften. Trotz des sehr dicken Nasenkreisradius´ litten hingegen die Langsamflugeigenschaften, ein Strömungsabriss tritt nun bei zu stark gezogenem Höhenruder und geringer Fahrt auf. Das mag sicherlich an der Gesamtkonzeption des symmetrischen Profils liegen, dass sich von der dicksten Stelle im ersten Fünftel (!) nach hinten in einer geraden Linie verjüngt (das Profil stammt ursprünglich von dem Flügel des Simprop-Baukastens einer EA 230, die vor ca. 20 Jahren angeboten wurde).
Gut ein Jahr lang hatte ich den Stiddle Mick nun erfolgreich im Einsatz als der Flieger vor kurzem im Flug unerwartet Geräusche wie von einem MG-Feuer von sich gab. Die Höhenruderwirkung ließ bei der sofort eingeleiteten Landung spürbar nach, sodass der Bodenkontakt etwas einseitig erfolgte und die Flügelbefestigung seitlich aus dem Rumpf riss, der Flügel selbst blieb unbeschädigt. Meine bereits aufgeschreckten Fliegerkollegen, die hinter der Geräuschkulisse feindliche Angriffsabsichten vermuteten, konnte ich rasch wieder von meiner friedlichen Einstellung überzeugen: Auf dem rechten Höhenleitwerk flatterte die Folie mit dem Karomuster. Das alles war nun auch für mich einmal Glück im Unglück, denn der Rumpf trug keine größeren Beschädigungen davon. Ich konnte Zuhause das heraus geschobene Teil wieder zurück drücken und neu verkleben, der gelösten Folie rückte ich mit dem heißen Bügeleisen zu Leibe.
Eine Woche später gab ich wieder beherzt Gas, kaum abgehoben, donnerte erneut das MG-Feuer los. Wieder landete ich sofort ein und wieder eckte beim Aufsetzen eine Flügelspitze an. Die Folgen waren die gleichen wie zuvor, nur diesmal konnte ich keine gelöste Folie finden. Ungefähr zeitgleich zeigte mein Baby (siehe Beitrag „Nervenkitzel mit dem Baby“ in diesem Monat) eine ähnliche wenn auch leisere Geräuschkulisse. Die Schrauben der Motorbefestigung hatten sich gelöst, sodass der rappelnde Motor als Ursache gefunden werden konnte. Zwar konnte ich am Stiddle Mick die Schrauben der Motorbefestigung etwas nachziehen und mit Klebstoff sichern, der Motor saß trotz allem noch fest. Ich hegte daher meine Zweifel, ob mit dem Nachziehen tatsächlich die Ursache gefunden worden war. Selbst nach mehrmaliger Kontrolle aller Ruder erwiesen sich auch diese als unverändert stabil.
Tatsächlich setzte das Knattern wieder ein, kaum dass sich der Flieger bei nächster Gelegenheit in der Luft befand. Gedrosselte niedrige Vorbeiflüge zeigten kein Ruderflattern, daran konnte es also endgültig nicht liegen. Also erneute Landung. Einem Fliegerkollegen fiel es dann zuerst auf, als ich den Stiddle Mick zurücktrug, die Bügelfolie am linken Flügel hatte sich im Überlappungsbereich der Nasenleiste gelöst. Wie sich bei genauerer Betrachtung herausstellte, über die gesamte Länge. Zuvor muss sich die Folie also nach der Landung wieder selbst angelegt haben, sodass die Ablösung unerkannt blieb. Inzwischen hatte das ständige Rattern wohl die Folie so weit verbogen und teilweise auch eingerissen, dass das flache Anlegen nicht mehr funktionierte. Für einen zweiten Flug half mir der Fliegerkollege mit Tesafilm aus, mit dem ich die gelöste Folie provisorisch wieder fixieren konnte und siehe da, der Stiddle Mick flog wie gewohnt auf ruhigen Schwingen durch die Luft. Seit dem Nachbügeln ist nun erneut Ruhe eingekehrt. Was die Suche nach der Ursache erschwert hat, war, dass das Rappeln nur während des Fluges auftrat, nicht jedoch bei einem Testlauf am Boden.
Ich habe daraus jedenfalls die Lehre gezogen, regelmäßig die Stoßkanten der Bügelfolie zu kontrollieren und rechtzeitig wieder anzubügeln.



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